Telemedizin: Krebsnachsorge per Video

Krebspatienten in der Nachsorge können mit ihrem Onkologen zukünftig per Video-Chat sprechen. Die Telemedizin soll Zeit und Geld sparen.

Eine Krebserkrankung hallt meist noch lange nach: Sind die ersten Krebsbehandlungen wie Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung einmal abgeschlossen, folgen rund fünf Jahre der Nachsorge. Onkologen versuchen dabei, einen Krebsrückfall möglichst schnell zu erkennen. Aber auch die körperlichen und seelischen Auswirkungen der Krebstherapien, die Nebenwirkungen von Medikamenten, die Krebspatienten weiterhin einnehmen müssen, die Rückkehr in den Beruf und Alltag sowie die Lebensqualität stehen bei der Nachsorge im Mittelpunkt. Doch für die meisten Krebspatienten bedeuten die Arzttermine beim Onkologen lange Anfahrtswege und enormen Zeitaufwand. Ein Projekt des Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) und der Münchener Startups Minxli will nun in einer Pilotstudie herausfinden, ob die Nachsorge auch per Videosprechstunden zwischen Arzt und Patient gelingen kann.

Krebsnachsorge dank Video-Chat: Beratung aus der Ferne

Ärzte und Patienten benötigen zunächst nur ein Smartphone (Android oder iPhone) und die App „Minxli“. Wichtig ist, dass alle persönlichen und medizinischen Daten verschlüsselt übertragen werden. Insgesamt 60 Krebspatienten nehmen an dem telemedizinischen Projekt teil. Die eine Hälfte absolviert ihre Nachsorgetermine mit dem behandelnden Arzt per Video-Chat. Die anderen Patienten nehmen als Kontrollgruppe die ganz normale Sprechstunde beim Doktor vor Ort wahr. Die Studie, die über ein Jahr läuft, will verschiedene Fragen beantworten, zum Beispiel:

  • Wie kommen Krebspatienten damit zurecht, wenn sie mit ihrem Krebsarzt per Video auf dem Smartphone sprechen?
  • Wie zufrieden sind sie mit der virtuellen Kommunikation und inwieweit profitieren sie davon im Alltag?
  • Spart die Videosprechstunde Zeit und Geld, weil die womöglich langen Anreisewege und Wartezeiten in der Arztpraxis entfallen?

Die Antworten erfassen die Wissenschaftler in einem strukturierten Fragenbogen, den sie im Anschluss auswerten. Im Zentrum stehen die Machbarkeit (wird der Video-Chat einvernehmlich und freundlich beendet oder aufgrund technischer oder kommunikativer Probleme abgebrochen?), die Patientenzufriedenheit und Zeitersparnis.

Welche Risiken beinhaltet die Telemedizin bei Krebs?

Theoretisch birgt die Videoschaltung die Gefahr, dass dem Arzt bei seinem Patienten wichtige Informationen entgehen und er eine falsche therapeutische Entscheidung trifft. Das sei allerdings aus anderen Studien noch nicht berichtet worden, so das NCT. Die Telemedizin in der Onkologie habe sich als sehr sicher erwiesen – selbst für Krebstherapien. Sogar eine Chemotherapie lasse sich über größere Distanzen anwenden und von außen steuern. Bei anderen Krankheitsbildern wie einem Schlaganfall, der Zuckerkrankheit Diabetes oder Herzerkrankungen ist die Telemedizin ohnehin längst etabliert.

Alle teilnehmenden Ärzte (und Patienten) erhalten eine Schulung, wie sie die Videoplattform richtig bedienen. Ist sich ein Arzt unsicher über seine Entscheidung, die er aufgrund der Informationen aus der Videokonferenz getroffen hat, lädt er seinen Patienten umgehend persönlich ein. Wenn er den Eindruck gewonnen hat, dass ein Notfall vorliegt, schickt er den Krebspatienten ohnehin in die nächste Notaufnahme oder rät ihm, den Notarzt zu rufen.

Teleonkologie: „Bessere Versorgung der Krebspatienten insgesamt“

Das NCT in Heidelberg behandelt jedes Jahr Tausende Krebspatienten. Alle müssen sich auf häufige ambulante Kontrolltermine einstellen, die nicht zwangsläufig die physische Anwesenheit erfordern. Onkologen sprechen mit ihren Patienten beispielsweise darüber, wie gut sie Tumortherapien vertragen oder wie neue Befunde einzuschätzen sind. „Schwierig und anstrengend ist das für Patienten, die eine lange Anfahrt nach Heidelberg haben – oft über eine Stunde“, sagt Dr. Jakob Nikolas Kather, Onkologe am NCT und Leiter der Studie. Diese Fragen ließen sich aber genauso gut per Video-Chat anstelle des persönlichen Gesprächs vor Ort klären. Bei einigen Problemen ist es jedoch besser, wenn der Arzt seinen Patienten direkt vor sich hat. „Wir gehen davon aus, dass Teleonkologie nicht nur die Reisezeit reduziert, sondern durch regelmäßigere Follow-ups beispielsweise auch eine bessere Versorgung der Patienten insgesamt gewährleistet“, erklärt Kather.

Telemedizin hilft Krebspatienten auf dem Land

Die Telemedizin wird schon seit mehr als zehn Jahren in der Krebsmedizin eingesetzt, zum Beispiel in Canada, Norwegen, Australien oder einigen Regionen der USA. Spezialisierte Krebszentren sind für Patienten, die in abgelegenen Gebieten auf dem Land leben, oft nur schwer oder überhaupt nicht erreichbar. Eine gute Nachsorge für Krebspatienten ist somit kaum möglich. Studien hatten verschiedene telemedizinische Möglichkeiten ausprobiert: Entweder reisten die Patienten in ein ländliches Gesundheitszentrum in ihrer Nähe und verknüpften sich per Videoschaltung mit einem Krebsspezialzentrum, das mehrere hundert Kilometer entfernt lag. Oder die Krebspatienten wurden mit den technischen Möglichkeiten ausgestattet, um die Videokonferenz von zu Hause aus durchzuführen.

Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl die Patienten als auch die Ärzte mit den Video-Chats äußerst zufrieden sind. Zudem spart die Telemedizin Zeit und Kosten der Patienten, lässt aber dennoch die Qualität der medizinischen Betreuung nicht leiden. Auch bekommen einige Krebspatienten aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten überhaupt erst Zugang zu spezialisierten Krebszentren, die normalerweise für sie nicht erreichbar wären. Andere Studien kamen sogar zu dem Schluss, dass die Teleonkologie Ängste und Depressionen reduziert sowie das Verständnis für die Krebskrankheit verbessert.

Die App soll aber nicht nur Krebspatienten helfen. Auch Ärzte können sich untereinander austauschen und einander beraten, etwa bei besonders kniffligen Krebsfällen oder wenn die Ergebnisse von Untersuchungen nicht eindeutig sind.

Für diese Krankheiten eignet sich die Videosprechstunde

Seit dem 1. April 2017 können Ärzte in Deutschland ihre Patienten auch in einer Videosprechstunde betreuen. Ihre Leistungen können sie über die Ärztliche Gebührenordnung abrechnen. Allerdings eignet sich die Videosprechstunde noch nicht für alle Krankheitsbilder. Die Krankenkassen bezahlen sie derzeit nur, um Operationswunden, Bewegungseinschränkungen und -störungen oder Hautkrankheiten zu kontrollieren. Auch die Stimme, das Sprechen oder die Aussprache lassen sich per Video beurteilen. Vorgesehen ist es aber, noch weitere Krankheiten in den Katalog aufzunehmen.

Fernbehandlungsverbot soll sich lockern

In Deutschland gilt derzeit ein Fernbehandlungsverbot: Dieses erlaubt es einem Arzt nicht, einen Patienten online zu behandeln, den er noch nie in seiner Arztpraxis gesehen hat. Mindestens ein persönlicher Kontakt muss dafür stattgefunden haben. Nach Informationen von Spiegel-Online will die Bundesärztekammer dieses Verbot jetzt lockern – gegen den langjährigen Widerstand eines Großteils der Ärzteschaft. Dann können Ärzte ihre Patienten auch nur über Online-Sprechstunden behandeln. Besonders profitieren von der Telemedizin würden Patienten in ländlichen Gebieten, in denen oft Arztmangel herrscht und der Weg in die nächste Praxis weit ist.

Quellen:

  • Informationen des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT)
  • Pressemitteilung von Minxli, http://www.schwartzpr.de/de/newsroom/pressemeldung.php?we_objectID=4322&kunde=3978
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), http://www.kbv.de (Abruf: 23.2.2018)

Weitere Beiträge

Ingrid Müller

Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de