Junge Krebskranke: Wie steht es um die Karriere?

Krebs schlägt oft schon bei jungen Menschen zu. Wie beeinflussen die Nachwirkungen der Krebsbehandlungen die Karriereaussichten der Krebspatienten? Nicht unerheblich, fanden Forscher heraus.

Krebs erwischt viele Menschen jung. Sie stecken mitten in der Schule, Berufsausbildung, im Studium, der Familienplanung oder stehen am Anfang eines Jobs. Wer sich Krebsbehandlungen wie einer Operation, Chemotherapie und Bestrahlung unterziehen muss, leidet oft noch Monate oder Jahre später unter den Folgen. Oft bleiben Nervenschmerzen, die lähmende Müdigkeit „Fatigue“, Ängste und Depressionen. Doch wie beeinflussen diese Nebenwirkungen die Arbeitsfähigkeit und die Karrierechancen der jungen Leute? Das wollten norwegische Forscher vom Oslo University Hospital wissen. Die sogenannte NOR-CAYACS Studie, die auf dem Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) 2017 in Madrid vorgestellt wurde, bringt jetzt Licht ins Arbeitsleben junger Menschen, die den Krebs überlebt haben.

Junge Krebspatienten: Arbeitsunfähig oder voll einsatzfähig im Job?

An der Studie nahmen knapp 1.200 Probanden teil, die zwischen 19 und 39 Jahren an Krebs erkrankt und im Norwegischen Krebsregister erfasst waren. Die Diagnosen lauteten schwarzer Hautkrebs, Darmkrebs, Brustkrebs der Stadien 1 bis 3, Non-Hodgkin-Lymphom (Lymphdrüsenkrebs) und Leukämie. Bei allen wurde der Krebs zwischen 1985 und 2009 diagnostiziert und bis zum Jahr 2015 hatten sie ihn überlebt. Die ehemaligen Krebspatienten, die mittlerweile im Schnitt 49 Jahre alt waren und deren Krebsdiagnose durchschnittlich 13 Jahre her war, erhielten einen Fragebogen per E-Mail. In diesem sollten sie Angaben zu den Langzeitfolgen ihrer Krebsbehandlung und ihrer Arbeitsfähigkeit machen. 60 Prozent der Befragten hatten einen Vollzeitjob. Auf einer Skala ordneten sie sich selbst zwischen 0 (arbeitsunfähig) und 10 (optimal arbeitsfähig) ein.

Krebstherapien haben Folgen für den Beruf

Die Spätfolgend der oft heftigen Krebstherapien beeinflussten auch Jahre später noch das körperliche und seelische Wohlbefinden – und auch die Karrieremöglichkeiten. Am wenigsten arbeitsfähig waren Menschen, die nach der Krebsbehandlung unter Lymphödemen, kognitiven Beeinträchtigungen („Chemobrain„), Nervenschmerzen und Problemen der Haut, des Bindegewebes oder der Muskeln aufgrund der Bestrahlung litten. Auch Frauen, Personen mit einem niedrigen Ausbildungsstatus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Überlebende, die ihre Gesundheit und Lebensqualität selbst als „schlecht“ einstuften, waren seltener in der Lage, einen Job auszuüben. Daneben minderten starke Ängste, Fatigue, Depression oder die Furcht vor einem Krebsrückfall die Arbeitsfähigkeit. „Die psychischen und körperlichen Langzeitfolgen der Krebserkrankung waren mit einer deutlich verminderten Arbeitsfähigkeit verbunden“, sagt Dr. Cecilie Kiserud, die Hauptautorin der Studie. Unter den Lebensstilfaktoren machten die Forscher nur den Alkoholkonsum als wenig förderlich für die Karriere aus: Wer mehr als einmal wöchentlich Alkohol trank, war weniger gut arbeitsfähig.

Video: Macht Krebs arm?

Krebsart beeinflusst die Karriere nicht

Keinen Zusammenhang fanden die Forscher zwischen der Krebsart und der Karriere – mit einer Ausnahme. Nur Patienten mit einem Non-Hodgkin-Lymphom hatten ein höheres Risiko, dass es um ihre Arbeitsfähigkeit nicht zum Besten bestellt war. „Ansonsten hatten weder die Intensität der Krebstherapie noch die Krebsart einen entscheidenden Einfluss.“ Insgesamt fordern die Forscher: Man müsse der Tatsache viel mehr Aufmerksamkeit schenken, dass Krebsüberlebende aufgrund der Langzeitschäden der Behandlungen weniger gut arbeitsfähig seien.

Prof. Gilles Vassal vom Institut Gustave Roussy in Villejuif, Frankreich, kommentiert die Studienergebnisse so: „Etwa 80 Prozent der jungen Krebspatienten können wir heilen. Aber die Behandlungen sind intensiv, und rund zwei Drittel der Überlebenden leiden später unter körperlichen und seelischen Langzeitfolgen der Therapien.“ Die Studie zeige, dass diese die Arbeitsfähigkeit deutlich stärker beeinflussten als die Krebserkrankung selbst. Ärzte sollten junge Krebspatienten über die möglicherweise gravierenden Folgen der Behandlungen gut informieren und diese Nachwirkungen in der Nachsorge gut im Blick haben.

Krebs bringt Menschen in finanzielle Schieflage

Dass eine Krebsdiagnose schlecht für den Geldbeutel ist und Betroffene sogar arm machen kann, hatten schon einige Studien nachgewiesen. Denn viele müssen wegen der Krebsbehandlungen aus ihrem Job vorübergehend aussteigen oder ihn ganz an den Nagel hängen. Eine japanische Studie, die ebenfalls auf dem ESMO-Kongress vorgestellt wurde, analysierte die Daten von 40 Krebszentren, Universitätskliniken und regionalen Krankenhäusern in Japan. Mehr als 3.200 Krebspatienten hatten an der Befragung teilgenommen.

Vor der Krebstherapie gingen knapp 51 Prozent der Patienten arbeiten. Fast 90 Prozent waren festangestellt. Rund 32 Prozent verließen ihren Job für die Krebstherapie. Am höchsten war der Prozentsatz bei Patienten mit Lungenkrebs, am niedrigsten bei Brustkrebs. Je weiter der Krebs fortgeschritten war, desto mehr Patienten hörten in ihrem Job auf. Fast 74 Prozent gaben an, durch die Krebsdiagnose finanziell erheblich belastet zu sein und ein deutlich niedrigeres Einkommen als vorher zu haben. Einige mussten ihre Krebsbehandlung sogar aus finanziellen Gründen abbrechen.
Fazit der japanischen Studienautoren: Einer von drei Krebspatienten gehört zur arbeitenden Bevölkerung. „Für diese ist es enorm wichtig, die Krebsbehandlung und ihre Arbeit in Einklang zu bringen“, schreiben die Autoren. Und hier seien vor allem die Arbeitgeber gefragt …

Quellen:

  • Kiserud C.: Factors associated with reduced work ability in a nation-wide cohort of long-term cancer survivors treated in young adulthood (19-39 years) – the NOR-CAYACS study, Abstract 1110PD_PR, ESMO 2017
  • Koinuma N.: Economic burden of cancer patientes and the job assistance from society, Abstract 1111PD, ESMO 2017

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Ingrid Müller

Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de