Brustkrebs erkennen: Intelligente Software statt Biopsie

Die Biopsie ist die sicherste Möglichkeit, um Brustkrebs endgültig aufzuspüren. Die Kombination aus Magnetresonanztomografie und einer schlauen Software könnte die Gewebeprobe zukünftig überflüssig machen.

Die Biopsie ist die letzte Möglichkeit, um herauszufinden, ob eine Frau Brustkrebs hat oder nicht. Ärzte empfehlen die Gewebeprobe, wenn Mammografie oder Magnetresonanztomografie Auffälligkeiten gezeigt haben. Selbst für erfahrene Radiologen sind die Bilder vom Inneren des Busens nicht immer leicht zu interpretieren. Jährlich unterziehen sich deshalb etwa 35.000 Frauen mit auffälligen Befunden und einem Brustkrebsverdacht einer Biopsie. „Nur bei der Hälfte findet sich tatsächlich ein bösartiger Tumor“, weiß der Radiologe Sebastian Bickelhaupt vom Deutschen Krebsforschungszentrum (dkfz) in Heidelberg. Ein Großteil der Frauen erhält somit einen „falsch-positiven“ Befund: Die Bilder schlagen Alarm und lassen Brustkrebs vermuten. Im Nachhinein stellen sich die sonderbaren Stellen als gutartige Gewebeveränderung heraus. Neben dem unnötigen Schrecken eines Krebsverdachtes ist die Biopsie auch nicht ganz ungefährlich, weil sie ein invasiver Eingriff ist. Ein Arzt sticht mit Hilfe einer Nadel mehrmals ins verdächtige Gewebe und entnimmt Proben, die dann ein Pathologe im Labor untersucht.

Brustkrebs oder nicht? Intelligente Software hilft mit!

Bickelhaupt und Kollegen haben deshalb ein schonenderes Verfahren entwickelt, um Brustkrebs sicher nachzuweisen oder auszuschließen: Statt der Biopsie nutzen sie schlaue, computerbasierte Analyseverfahren für die Brustbilder. Ein wichtiger Teil der Methode ist die sogenannte diffusionsgewichtete Magnetresonanztomografie (MRT), die Ärzte normalerweise bei der Diagnostik von Gehirnerkrankungen einsetzen, etwa einem Schlaganfall. Dieses bildgebende Verfahren entwickelten die Forscher jetzt für die Brustkrebsdiagnostik weiter.

Hinter den beiden komplizierten Begriffen verbirgt sich eine Technik, welche die freie Bewegung (Diffusion) von Wassermolekülen sichtbar macht. Auf den Computerbildern lassen sich diese Bewegungen dann beobachten. Bösartige Tumoren verändern nämlich die Struktur des Brustgewebes, und das wirkt sich wiederum auf die Bewegungsmuster der Wassermoleküle aus. „Wir werten die Aufnahmen mit Hilfe einer von uns entwickelten, intelligenten Software aus“, erklärt der Informatiker Paul Jäger.

Neue Methode liefert zuverlässige Ergebnisse bei Brustkrebs

Dass die diffusionsgewichtete MRT in Kombination mit intelligenten Verfahren der Bildanalyse tatsächlich funktioniert und Brustkrebs zuverlässig diagnostizieren kann, haben die Radiologen in einer Studie nachgewiesen. Sie testeten ihr Verfahren an 222 Frauen, denen Ärzte nach einem auffälligen Mammografiebefund zur Biopsie geraten hatten. Bevor die Radiologen jedoch die Gewebeprobe entnahmen, analysierten sie zunächst das Brustgewebe mit der neuen Methode.

In 60 von 61 Fällen konnten die Forscher Brustkrebs erkennen, der tatsächlich in der Brust schlummerte. Das entspricht einer Trefferquote von 98 Prozent. Damit liefert sie genauso zuverlässige Ergebnisse wie MRT-Techniken, bei denen ein Kontrastmittel zum Einsatz kommt. Die Zahl der falsch-positiven Befunde ließ sich in der Studiengruppe um 70 Prozent reduzieren.

Dank kluger Software: Früherkennung von Brustkrebs weiter verbessern

Die Auswertung der Bilder mit Hilfe der schlauen Software mache die Methode „weitgehend unabhängig von der Interpretation durch einzelne Ärzte“, erklärt Informatiker Jäger. So sei es gewährleistet, die sie an verschiedenen Kliniken, Krebszentren und radiologischen Praxen gleichermaßen zuverlässige Ergebnisse erziele.

Jetzt muss sich die intelligente Methode zur Diagnose von Brustkrebs nur noch in größeren Studien mit mehr Frauen beweisen. Erst dann ist ein routinemäßiger Einsatz in der Krebsdiagnostik möglich. Bickelhaupt hofft: „Wir hätten dann ein zusätzliches Diagnoseinstrument zur Verfügung, mit dem sich die Früherkennung von Brustkrebs weiter verbessern lässt.“ Auch für die Frauen würde das einen gravierenden Fortschritt bedeuten.

Mammografie-Screening: Standard bei der Diagnose von Brustkrebs

Derzeit ist die Mammografie die Standardmethode, um Brustkrebs zu erkennen. Seit vielen Jahren gibt es in Deutschland ein Mammografie-Screening, das sich an Frauen zwischen 50 und 69 Jahren richtet. Alle zwei Jahre laden die Behörden sie zur Röntgenuntersuchung ein. Doch die Wirksamkeit des (teuren) Brustkrebs-Screenings ist unter den Fachleuten heftig umstritten. In Zentrum der Debatte steht, ob die Reihenuntersuchung tatsächlich die Lebenserwartung von Frauen mit Brustkrebs verlängert und die Sterblichkeit senkt.

Etwa jede zwanzigste Frau, die am Screening teilnimmt, muss mit einem auffälligen Befund rechnen. Ein Dorn im Auge ist den Kritikern die nicht unerhebliche Anzahl an falsch-positiven Befunden, bei denen sich der Krebsverdacht anschließend nicht bewahrheitet. Die Frauen erleben also unnötig Angst und Schrecken. Dazu kommen Überdiagnosen weil, Ärzte Brusttumoren feststellen, die langsam wachsen, sich ohne Screening nicht bemerkbar gemacht hätten und den Frauen zu Lebzeiten womöglich gar nicht gefährlich geworden wären. Auch Übertherapien sind ein wichtiges Thema. So werden Krebsvorstufen, die sich vielleicht nicht zu Brustkrebs weiterentwickelt hätten, meist wie Brustkrebs behandelt. Frauen unterziehen sich radikalen Krebstherapien wie Operation, Chemotherapie, Bestrahlung und Antihormontherapie.

Auch zwischen dem Intervall von zwei Jahren kann sich Brustkrebs entwickeln: Etwa ein Viertel aller Fälle von Brustkrebs entstehen inmitten zweier Screening-Runden und wird erst bei der nächsten Untersuchung entdeckt. Auch Frauen mit dichtem Brustgewebe, etwa jüngere Frauen, haben bei der Mammografie ebenfalls schlechtere Karten: Die Mammografie liefert oft keine zuverlässigen Ergebnisse. Dazu kommt, dass viele Frauen gar nicht erst zum Mammografie-Screening gehen. Die Teilnahmequote liegt nur bei knapp über 50 Prozent. Rund 2,8 Millionen Frauen sind es jährlich. Damit das Programm ein Erfolg würde, setzen Fachleute aber eine Teilnahmerate von 70 Prozent an.

Auf der Positivliste steht, dass Radiologen im Mammografie-Screening viele kleine Tumoren aufspüren, die sich schonender behandeln lassen als fortgeschrittener. Im Frühstadium ist Brustkrebs heute gut heilbar und bedeutet längst nicht mehr das Todesurteil. Nach der Brustkrebsbehandlung können viele Frauen wieder ein ganz normales Leben führen. Das Brustkrebs-Screening senke die Sterblichkeit und könne viele Leben retten, argumentieren die Befürworter. Ihre Rechnung sieht so aus: Ohne Mammografie würden von 1000 Frauen 20 an Brustkrebs sterben. Mit dem Brustkrebs-Screening würden 8 dieser 20 Frauen gerettet. Pro Jahr seien das rund 4000 Frauen in Deutschland. Das entspricht eine Senkung der Sterblichkeit um rund 40 Prozent.

Letztlich sind also die Frauen gefordert, sich gut über die Vor- und Nachteil zu informieren – und dann selbst eine Entscheidung zu treffen. Viele Fachleute plädieren inzwischen dafür, bei der Früherkennung von Brustkrebs weniger flächendeckend, sondern individuell nach Risikofaktoren vorzugehen. Dabei spielen erbliche Risikofaktoren und Brustkrebs in der Familie genauso eine Rolle wie etwa die Brustdichte.

Quelle:

  • Bickelhaupt S. et al. Radiomics Based on Adapted Diffusion Kurtosis Imaging Helps to Clarify Most Mammographic Findings Suspected of Being Cancer. Radiology, 2018, DOI:10.1148/radiol.2017170723
  • Mammographie Screening Programm, http://www.mammo-programm.de (Abruf: 22.2.2018)

Ingrid Müller

Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de