Probiotische Bakterien gegen Krebs

Probiotische Bakterien stecken in vielen Lebensmitteln und versprechen einen gesundheitlichen Zusatznutzen. Aber helfen sie auch gegen Krebs?

Einige Bakterienarten können im Kampf gegen Krebs helfen. Das Problem: Die meisten dieser Bakterien sind für Menschen schädlich – sie greifen zwar Tumorzellen an, richten aber auch im Körper mächtigen Schaden an. Wie also gelingt es, die Aggressivität der Bakterien für therapeutische Zwecke zu nutzen, aber gleichzeitig die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten? Einen neuen Weg fanden jetzt Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI). Sie setzten nicht mehr auf krankmachende Bakterien wie etwa Salmonellen, sondern auf solche, die für Menschen sicher sind und gesundheitlich positive Wirkungen besitzen: probiotische E. coli-Bakterien.

E.coli nützen der Gesundheit

In ihren Experimente nutzen die Forscher um Dino Kocijancic probiotische E-coli-Stämme, die eher nützlich als schädlich für den Menschen sind. Diese Bakterien setzen Millionen von Menschen zur Behandlung von Darmproblemen ein. Probiotische Bakterien sollen sich positiv auf die Darmflora auswirken. Schon heute stecken sie in verschiedenen Lebensmitteln, etwa Joghurts oder mit gesunden Bakterien angereicherten Drinks.

Erste Tests an Mäusen mit Tumoren zeigten, dass die probiotischen Bakterien sich tatsächlich gegen Tumore wenden – ohne dabei einen toxischen Effekt zu erzeugen. Vor allem der probiotische E. coli-Stamm „Symbioflor-2“ richtete sich sehr wirksam gegen die Krebstumore. „Das belegt das vielversprechende Potenzial bei der Therapie von soliden Tumoren“, erklärt Kocijancic. Die Ergebnisse öffneten die Tür für einen neuen Ansatz im Kampf gegen Krebs.

Krebs – E.coli effektiver als Salmonellen

Krankmachende Bakterien, etwa Salmonellen, wurden schon auf ihre Wirksamkeit gegen Krebs untersucht. Die Anwendung bei Patienten war aber mit einem großen Problem verbunden, denn die Bakterien mussten so verändert werden, dass sie keinen Schaden verursachen. Die ersten klinischen Studien zeigten, dass dies zwar möglich ist, aber nicht, ohne die therapeutischen Wirkungen einzuschränken. In einem Fall war die aus Sicherheitsgründen erfolgte Abschwächung zu weitreichend, sodass der therapeutische Effekt verloren ging. Das therapeutische Potenzial der probiotischen E.coli-Bakterien reiche zwar nicht ganz an die von Salmonellen heran, so Kocijancic. „Aber wegen ihrer überlegenen Tumorspezifität und der Tatsache, dass sie nicht abgeschwächt werden müssen, eignen sie sich gut als Bio-Vehikel zur Einschleusung therapeutische Moleküle in Tumore“.

Die Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass ein Krebspatient mit eingeschränktem Immunsystem einen probiotischen therapeutischen Stamm bei höherer Dosierung leichter toleriert als die abgeschwächten Salmonellen. „Wir sind überzeugt, dass sich dies in weiteren Untersuchungen als zutreffend herausstellen wird. Somit wird unser neuer Ansatz die Vorteile einer Bakterien-vermittelten Tumortherapie leichter nutzen können“, sagt Dr. Siegfried Weiss, der Leiter der Forschungsgruppe.

Krebs weltweit auf dem Vormarsch

Krebserkrankungen nehmen weltweit zu. Ein Grund ist, dass die Menschen immer älter werden. Die häufigsten Krebsarten sind Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs und Lungenkrebs. Auch die Zahlen der Hautkrebsfälle nehmen weiter zu. Es gibt ausgefeilte Krebstherapien wie Immuntherapien, aber auch schon lange etablierte Behandlungsmethoden, etwa Chemotherapie, Bestrahlung und Antihormontherapien. Nach Angaben der  Weltgesundheitsorganisation WHO ist zu erwarten, dass die Anzahl von neuen Krebsdiagnosen in den beiden nächsten Jahrzehnten um etwa 70 Prozent ansteigen wird. Somit besteht ein dringender Bedarf für neue therapeutische Ansätze.

Quelle: Dino Kocijancic, Sebastian Felgner, Michael Frahm, Ronja-Melinda Komoll, Aida Iljazovic, Vinay Pawar, Manfred Rohde, Ulrike Heise, Kurt Zimmermann, Florian Gunzer, Juliane Hammer, Katja Crull, Sara Leschner, Siegfried Weiss. Therapy of solid tumors using probiotic Symbioflor-2 – restraints and potential. Oncotarget; 2016 Mar 10. DOI: 10.18632/oncotarget.8027.

Ingrid Müller

Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de