Dank Selfie: App deckt Bauchspeicheldrüsenkrebs auf

Die App „BiliScreen“ soll dem gefährlichen Bauchspeicheldrüsenkrebs schneller als bisher auf die Spur kommen. Nur ein Selfie ist dafür nötig. Die App misst die Gelbfärbung im Auge.

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine stille Bedrohung. Die meisten Patienten verspüren keinerlei Symptome. Und wenn sie Beschwerden haben, dann ist das Pankreaskarzinom meist schon weit fortgeschritten und nicht mehr heilbar. Auch gibt es keine geeignete Diagnosemethode, um diese Tumorart rechtzeitig aufzuspüren. So besitzt Bauchspeicheldrüsenkrebs nach wie vor eine der schlechtesten Prognosen unter allen Krebsarten. Nur etwa neun Prozent der Krebspatienten überleben die ersten fünf Jahre. Zum Vergleich: Bei Brustkrebs, der häufigsten Krebsart bei Frauen, sind es mehr als 85 Prozent. Jetzt haben Forscher der University oft Washington ein App entwickelt, mit der sich jeder selbst auf Bauchspeicheldrüsenkrebs testen kann. Und zwar durch ein einfaches Selfie mit dem Smartphone!

Pankreaskrebs: App zeigt Gelbfärbung im Auge

Die App BiliScreen nutzt die Kamera des Smartphones, Computeralgorithmen und Techniken des maschinellen Lernens, um erhöhte Spiegel an Bilirubin in der Lederhaut des Auges zu bestimmen. Das gelb-bräunliche Bilirubin ist ein Abbauprodukt der roten Blutkörperchen, das der Körper normalweise mit der Galle in den Darm abgibt und über den Stuhl ausscheidet. Sind diese Prozesse gestört, sammelt sich Bilirubin im Blut und die Haut und Augen färben sich gelb. Bei Erwachsenen zeigen sich Veränderungen der Bilirubin-Spiegel in den Augen deutlicher als auf der Haut. „Die Augen sind ein interessantes Tor, durch das man in den Körper blicken kann“, sagt Shwetak Patel, der Seniorautor der Studie. „Tränen erzählen, wie viel Glukose Sie im Blut haben, die Lederhaut, welche Mengen an Bilirubin sich im Blut befinden.“

Die Gelbsucht ist eines der frühesten Symptome bei Bauchspeicheldrüsenkrebs, tritt aber auch bei einer Hepatitis und dem harmlosen Gilbert Syndrom auf, einer angeborenen Störung der Bilirubinverarbeitung. Die App soll schon Alarm schlagen, wenn der Bilirubin-Spiegel im Blut nur gering erhöht und die Gelbsucht mit dem bloßen Auge noch nicht erkennbar ist. Ist dies nämlich der Fall, sind die Bilirubinwerte meist schon sehr hoch und ein echter Grund zur Besorgnis.

Video: So funktioniert die BiliScreen-App


(c) Paul G. Allen School of Computer Science & Engineering

Selfie vom Auge: Wie hoch ist der Bilirubinspiegel?

An der Studie nahmen 70 Personen teil, die mehrere Selfies ihrer Augen knipsten. Zusätzlich setzten die Forscher zwei Hilfsmittel ein: eine Papierbrille mit bunten Quadraten für den Farbabgleich und eine Box aus dem 3-D-Drucker, die das Raumlicht aussperrte. Die BiliScreen-App isolierte automatisch die weißen Anteile des Auges, analysierte und berechnete die Farbinformationen der Lederhaut und setzte diese durch Algorithmen des maschinellen Lernens in Bezug zu den Bilirubin-Spiegeln. In der Studie identifizierte die App zu 90 Prozent korrekt, ob ein Proband auffällige Bilirubinspiegel hatte oder nicht.

„Das Problem beim Bauchspeicheldrüsenkrebs ist, dass es häufig zu spät ist, je länger die Symptome vorhanden sind“, erklärt Alex Mariakakis, der Hauptautor der Studie. „Unsere Hoffnung ist es, dass Menschen den einfachen Test einmal im Monat durchführen, und zwar privat bei sich zuhause.“ So ließe sich der Pankreaskrebs vielleicht so früh aufspüren, dass eine Behandlung und damit die Rettung des Lebens möglich seien. Für Risikogruppen sei die App eine ganz neue Möglichkeit der Früherkennung, hoffen die Forscher.

Die relativ kleine Studie habe gezeigt, dass die Technologie vielversprechend sei und Potenzial habe. Die App basiert auf einer früheren Entwicklung: der BiliCam-App. Sie testet Neugeborene auf Gelbsucht, indem man mit der Smartphone-Kamera einfach ein Foto der Haut schießt. Eine Studie hatte kürzlich ergeben, dass die App bei 530 Babys die Bilirubin-Spiegel exakt bestimmte.

App als „Heimtest“ auf Bauchspeicheldrüsenkrebs

Der Bluttest, den Ärzte derzeit zur Bestimmung des Bilirubin-Spiegels einsetzen, eignet sich nicht fürs Screening, also eine flächendeckende Reihenuntersuchung. Zudem setzen Ärzte ihn bei Erwachsenen nicht ein, solange kein Verdacht auf Bauchspeicheldrüsenkrebs besteht. Die App dagegen ist für den Hausgebrauch gedacht und zeigt dem Nutzer, ob er vielleicht besser zeitnah einen Arzt aufsuchen sollte. Auch Menschen, die schon an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt sind, könnte die App helfen. Sie erleichtert es ihnen, ohne ständige Blutentnahme regelmäßig ihren Bilirubin-Spiegel zu messen.
Als nächstes wollen die Forscher die App an einer größeren Zahl von Personen testen, die ein Risiko für Gelbsucht haben. Außerdem gilt es, die Nutzerfreundlichkeit der Anwendung zu verbessern. Dazu gehört unter anderem, dass sie ohne zusätzliche Werkzeuge wie etwa einer Brille auskommen.

Quelle:

Alex Mariakakis, Megan A. Banks, Lauren Phillipi, Lei Yu, James Taylor, Shwe-Tak N. Patel: „BiliScreen: Smartphone-Based Scleral Jaundice Monitoring for Liver and Pancreatic Disorders“, University of Washington. Die Veröffentlichung wird am 13. September 2017 auf Ubicomp 2017, the Association for Computing Machinery’s International Joint Conference on Pervasive and Ubiquitous Computing, vorgestellt.

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Ingrid Müller

Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de