Stift liefert Krebsdiagnose in zehn Sekunden

Krebs lässt sich vielleicht bald in Sekundenschnelle diagnostizieren. Ein Stift aus dem 3-D-Drucker mit integriertem Analysewerkzeug zeigt, ob Zellen gesund sind oder es sich um Krebszellen handelt. Er könnte das Skalpell ersetzen.

Jeder Krebspatient kennt das zähe Warten nach einer Krebsoperation. Pathologen untersuchen in den Tagen nach der OP, ob der Chirurg sämtliche Krebszellen erwischt hat, oder ob sich im Geweberand der Probe noch Tumorzellen nachweisen lassen – dann folgt eine erneute Operation. Denn verbliebene Krebszellen bedeuten ein erhöhtes Rückfallrisiko. Jetzt entwickelten Forscher um Jialing Zhang von der University of Texas, Austin, sowie vom Baylor College of Medicine und Anderson Cancer Center in Houston einen kleinen Stift, der die Krebsdiagnose erheblich beschleunigt und die Wartezeit auf wenige Sekunden eindampft: Innerhalb von zehn Sekunden – also fast in Echtzeit – zeige das Instrument dem Operateur an, ob es sich um gesunde Zellen oder Krebszellen im entnommenen Gewebe handelt. Im letzten Fall operieren Chirurgen einfach solange weiter, bis alle bösartigen Zellen beseitigt sind und das Gerät keinen Alarm mehr schlägt. Die tagelange und zeitaufwändige Gewebeanalyse im Labor und eine eventuelle zweite Operation wären damit überflüssig.

Rasante Krebsdiagnose mit einem Tropfen Wasser

In den Stift integrierten die Forscher ein kleines Massenspektrometer. Der Pen gibt eine winzige Menge Wasser ab und löst so Moleküle aus dem Gewebe heraus. Die Flüssigkeit wird in den Stift und über einen kleinen Schlauch zum Massenspektrometer gezogen. Dieses bestimmt die Masse der Moleküle, die in der Probe enthalten sind.

Video: So funktioniert der Krebsstift!


(c) Vivian Abagiu/Univ. of Texas at Austin

Um die Tauglichkeit ihres Stifts zu überprüfen, analysierten die Experten 253 menschliche Gewebeproben von Tumoren aus der Lunge, den Eierstöcken, der Schilddrüse, Brust und gesundem Gewebe. Daraus entwickelten sie eine „molekulares Profil“. Jede dieser Krebsarten besitzt eine eigenen molekularen „Fingerabdruck“. Mit diesem ließ sich Krebs innerhalb weniger Sekunden mit einer mehr als 96-prozentigen Empfindlichkeit, Spezifität und Genauigkeit feststellen. Dass der Pen zuverlässig arbeitete, wiesen sie zudem an lebenden Mäusen nach. Wichtig sei, so betonen die Wissenschaftler, dass sie gesundes Gewebe bei dieser Art der Krebsdiagnostik schonen. Denn normalerweise entfernen Chirurgen zur Sicherheit immer noch ein Stück gesundes Gewebe – einen Randsaum – mit. Manchmal ziehen sie dabei Nerven in Mitleidenschaft, was für die Patienten im Anschluss problematisch sein kann.

Stift zur Krebsdiagnose aus dem 3-D-Drucker

Im Gegensatz zu anderen Werkzeugen, die heute in der Massenspektrometrie eingesetzt werden, benötigt der neue Stift zur Analyse der Krebszellen nur Wasser – keine aggressiven Lösungsmittel, Gase unter Druck oder hohe elektrische Spannungen. Zudem stammt der Stift aus dem 3-D-Drucker und besteht aus dem ungefährlichen, gut verträglichen Material Polydimethylsiloxan (PDMS). Jetzt wollen die Forscher eine noch größere Anzahl von Proben analysieren, um die Genauigkeit des Pens zu verbessern. Ziel ist es auch, Krebszellen von weiteren Tumorarten mit verschiedensten Gewebetypen zu diagnostizieren.

Quelle: Jialing Zhang et.al, Nondestructive tissue analysis for ex vivo and in vivo cancer diagnosis using a handheld mass spectrometry system, Science Translational Medicine 06 Sep 2017, Vol. 9, Issue 406, eaan3968, DOI: 10.1126/scitranslmed.aan3968, http://stm.sciencemag.org/lookup/doi/10.1126/scitranslmed.aan3968

Ingrid Müller

Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de