Krebs – mehr Erkrankungen, längeres Leben

An Krebs erkranken mehr Menschen, weil sie älter werden. Dafür leben Krebspatienten heute länger, aber nicht bei allen Krebsarten und auch nicht in allen Regionen Deutschlands.

Krebs jagt den meisten Menschen immer noch die meiste Angst ein. Welche sind die häufigsten Krebsarten in Deutschland? Wie viele Menschen erkranken heute an Krebs? Und wer überlebt die Tumorerkrankung am längsten? Antworten auf diese und andere Fragen liefert der aktuelle „Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016“ des Robert Koch-Instituts. Danach habe sich die Zahl der Krebsneuerkrankungen seit 1970 fast verdoppelt. Etwa 482.500 Menschen erhielten im Jahr 2013 die Diagnose Krebs. Nicht eingerechnet sind die zwar häufigen, aber selten lebensbedrohlichen Formen des weißen Hautkrebses. Die Hauptursache für die steigenden Zahlen ist die älter werdende Bevölkerung – die Menschen in Deutschland leben länger, was eine Krebserkrankung wahrscheinlicher macht. Für fast alle Krebsarten steigt das Erkrankungsalter mit zunehmenden Lebensjahren.

Krebspatienten leben länger

Rechnet man aber das Alter als Risikofaktor für Krebs heraus, sinkt die Zahl der Neuerkrankungen bei einigen Tumorarten leicht, aber nicht bei allen. Für alle häufigen Krebserkrankungen, und damit auch für Krebs insgesamt, sind die Sterberaten seit den 90er-Jahren in Deutschland deutlich gesunken. Das gilt für fast alle europäischen Länder.

Beim Prostatakrebs vermuten die RKI-Experten, dass Ärzte den PSA-Test zur Früherkennung kritischer bewerten und Männer ihn deshalb auch seltener in Anspruch nehmen. Bei Männern wirkt es sich außerdem positiv aus, dass sie weniger rauchen. Dies macht sich in einem Rückgang beim Lungenkrebs bemerkbar, der in neun von zehn Fällen auf das Rauchen zurückzuführen ist. Bei Frauen steigen die Lungenkrebsraten dagegen nach wie vor an. Rückläufig sind auch die Zahlen für Magenkrebs, Darmkrebs und Gebärmutterhalskrebs. Steigende Neuerkrankungen zeigen sich bei Bauchspeicheldrüsenkrebs und Lebertumoren. Für diese Krebsarten gibt es nach wie vor keine neuen, verbesserten Therapien, weshalb die Sterblichkeit zunimmt.

Bessere Krebstherapien sorgen insgesamt dafür, dass Krebspatienten länger leben. Absolut gesehen versterben heute zwar etwas mehr Menschen an Krebs im Vergleich zu 1980 (ca. 224.000 versus  193.000), aber diese Menschen werden im Schnitt 74 Jahre alt – vier Jahre älter als noch vor 35 Jahren.

Das bringt die Krebsfrüherkennung

Nur die Früherkennung von Darm- und Gebärmutterhalskrebs kann das Risiko einer Krebserkrankung deutlich verringern, indem Ärzte Vorstadien des Krebses rechtzeitig entdecken und behandeln. Ansonsten lassen sich Tumoren mittels Krebsfrüherkennung in einem frühen Stadium aufspüren. Damit fallen auch die Krebstherapien schonender aus und sie versprechen mehr Heilungserfolg.

Positiv auszuwirken scheint sich das Mammografie-Screening bei Brustkrebs, das es seit 2009 flächendeckend in Deutschland für alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren gibt. Bei der Diagnose Brustkrebs werden weniger fortgeschrittene Brusttumoren entdeckt. Allerdings finden Radiologen auch immer mehr Tumoren in einem frühen Stadium. Darunter sind auch langsam wachsende Brustkrebse, die den Frauen zeitlebens vielleicht niemals Probleme verursacht hätten, aber mit der ganzen Palette an Krebstherapien behandelt werden. Insgesamt ist die Zahl der Neuerkrankungen bei Brustkrebs gestiegen.

Bei Hautkrebs lässt sich seit Einführung des Hautkrebs-Screenings ein Anstieg von frühen Stadien des schwarzen Hautkrebses beobachten. Das maligne Melanom gilt als äußerst gefährlich, weil es früh streut und Metastasen in anderen Organen bildet. Ein Rückgang der fortgeschrittenen Hautkrebsstadien ließ sich dagegen nicht ausmachen.

Dort sterben die wenigsten Menschen an Krebs

Bei der Krebssterblichkeit gibt es regionale Unterschiede in Deutschland. Am wenigsten Menschen – Männer wie Frauen – sterben in  Baden-Württemberg an Krebs. Für Frauen liegt die Krebssterblichkeit in Bremen und Hamburg um etwa 25 Prozent höher, bei den Männern in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sind es rund 35 Prozent.

Auch zwischen alten und neuen Bundesländern gibt es Unterschiede. So liegen die Erkrankungs- und Sterberaten für Brustkrebs und Lungenkrebs bei Frauen im Westen deutlich höher als im Osten. Dagegen kommen Magenkrebs, Gebärmutterkrebs und bei Männern auch bösartige Mund- und Rachentumoren in den neuen Bundesländern häufiger vor.

Europaweit liegt Deutschland übrigens für die meisten Krebsarten im Mittelfeld, was Neuerkrankungen und Sterberaten angeht. Bei Frauen liegen die Erkrankungsraten etwas höher, bei Männern die Sterberaten etwas niedriger als in der gesamten EU. Vergleichsweise niedrig sind die Sterberaten in Deutschland für Lungen- und Blasenkrebs bei Männern, für Gebärmutterhalskrebs bei Frauen sowie für Leberkrebs bei beiden Geschlechtern. Die Sterberaten beim Bauchspeicheldrüsenkrebs liegen hingegen über dem EU-Mittelwert.

Krebs – und die Folgen

Immer mehr Menschen überleben eine Krebserkrankung. Allerdings hat das oft Folgen, für die Patienten selbst, aber auch die Angehörigen und die Gesellschaft. Jeder achte  Pflegefall im Jahr 2013 lässt sich auf die Diagnose Krebs zurückführen. Eine Krebserkrankung führt auch oft zur Arbeitsunfähigkeit – und macht damit oft arm. In mehr als 200.000 Fällen war der Krebs der Grund, warum Menschen nicht mehr arbeiten konnten. Insgesamt fielen rund zehn Millionen Arbeitsunfähigkeitstage an. Und etwa 20.000 Menschen mussten wegen ihres Krebses in Frührente gehen. Im Durchschnitt waren Frauen hier 52 und Männer 54 Jahre alt.

Neben dem reinen Überleben rückt immer mehr die Lebensqualität der Krebspatienten in den Vordergrund. Krebstherapien müssen auch hier ansetzen und nicht nur den Tumor beseitigen. Für Deutschland liegen derzeit noch nicht viele Daten vor, wie gut die Lebensqualität nach einer Krebserkrankung ist. Untersuchungen zeigen aber, dass für Frauen mit Brustkrebs die Erkrankung nicht lange nicht vorbei ist, wenn die Therapien beendet sind. Auch Monate oder Jahre später leiden sie zum Beispiel unter chronischer Erschöpfung, der chronischen Fatigue. Etwa 90 Prozent aller Krebspatienten berichten von chronischer Müdigkeit und Erschöpfung. Als Auslöser des chronischen Fatigue Syndroms gelten die Krebserkrankung selbst, Krebstherapien wie Chemotherapie und Bestrahlung und der seelische Stress, der mit einer Krebsdiagnose verbunden ist. Bei manchen verschwindet das CFS von selbst, bei anderen entwickelt sich eine chronische Erschöpfung, die dauerhaft bestehen bleibt und das Leben und den Alltag schwer beeinträchtigt.

Quelle: Robert Koch-Institut. „Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016“, www.krebsdaten.de

Ingrid Müller

Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de