Alternativmedizin – Nützlich, aber gewagt

Viele Krebspatienten setzen auf Alternative Heilmethoden. Ihre Vorstellung: Den Krebs auf „sanfte“ Art loszuwerden. Doch das kann viel Geld kosten, und manchmal auch das Leben.

Wer Krebs hat, dessen Leben hängt oft an einem feinen Faden. Operation, Chemotherapie, Bestrahlung und oft noch mehr Medikamente im Anschluss, sagen Schulmediziner. „Stahl, Strahl und Chemo“, brachte es einst der Arzt Julius Hackethal auf den Punkt. Vor allem die Therapie mit den giftigen Zytostatika ist für viele Krebspatienten der reinste Horror. Wegen der heftigen Nebenwirkungen: Immunsystem im Keller, Haare weg, Übelkeit und Erbrechen, Denk- und Konzentrationsstörungen, Herzprobleme und als Spätfolge im schlimmsten Fall eine weitere Krebsart. Da steigen manche Menschen mit Krebs aus oder besser gesagt erst gar nicht ein. „Ich glaube nicht daran, dass man Krebs mit Gift bekämpfen kann, so eine Therapie ist mir außerdem zu hart“, sagte mir einmal eine junge Frau um die 40, die an Brustkrebs erkrankt war.

Alternativmedizin – gut gegen Nebenwirkungen

Irgendwann stolpert fast jeder Krebspatient einmal über die Alternativen Heilmethoden – Misteltherapie, Vitamin D oder Selen, um nur einige zu nennen. Ärzte schätzen, dass sich mindestens jeder zweite Krebspatient der Alternativmedizin zuwendet. Und es ist ja nicht so, dass die Komplementärmedizin, zu der zum Beispiel die Akupunktur, Homöopathie oder die Traditionelle Chinesische Medizin zählt, überhaupt nichts bewirken können. Im Gegenteil: Sie helfen gut gegen die Nebenwirkungen einer Chemo- der Strahlentherapie und sorgen dafür, dass sich ein Krebspatient insgesamt besser fühlt. Deshalb bieten viele Kliniken mittlerweile Alternative Verfahren an – als Ergänzung. Den Krebs können sie aber nicht heilen.

Wie die Deutschen zu Alternativ- und Schulmedizin stehen, hat TNS Infratest in einer Umfrage 2012 herausgefunden. „Helfen Alternative Heilmethoden bei Gesundheitsproblemen besser als die Schulmedizin?“, lautete die Frage. Ja, sagten 21 Prozent, 39,6 Prozent sagten „weder/noch“ und 39,4 Prozent stimmten nicht zu. Befragt wurden mehr als 1500 Personen ab 18 Jahren. Insgesamt ist also die Skepsis gegenüber den Alternativen Verfahren gar nicht so klein.

Fotostrecke: Alternativmedizin bei Krebs – die wichtigsten Methoden

Nahrungsergänzung und Diäten

Bild 1 von 7

Beliebt sind Diäten, pflanzliche, mineralische oder chemische Nahrungsergänzungsmittel sowie Reinigungs- und Entgiftungsmethoden. Dazu gehören zum Beispiel Schüßler-Salze, Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen, Selen und anderen Spurenelementen, Omega-3-Fettsäuren oder die Darmreinigung. Die Behandlungen, greifen in körperliche Vorgänge ein.

Alternative Heilverfahren sind oft nutzlos und teuer

Aber gerade bei Krebspatienten scheint das Geschäft mit den Heilungsversprechen zu florieren. Vermutlich, weil es bei Tumorpatienten ans Eingemachte geht. Und mit diesem Leid machen sich manche die Taschen voll. Der Stern-Journalist und Arzt Bernhard Albrecht einmal nachgesehen, zu welchen Therapien 20 Heilpraktiker und Ärzte, die sich als Krebsexperten bezeichnen, raten. Und dafür nahm er eine Schauspielerin mit gefakten Diagnoseunterlagen mit: Brustkrebs im Frühstadium, aber aggressiv, ging aus den Befunden hervor, die einige der Testpersonen nicht einmal richtig lesen konnte.

Und das waren einige der Empfehlungen: Keine Operation, denn es könnten Krebszellen im Körper verstreut werden, Nahrungsergänzungsmittel schlucken, Ernährung umstellen, Immunsystem mit Pillen stärken, Gemüsesäfte und ein spezieller Mixer, Ayurveda-Kur, Homöopathie und vieles mehr. Mit einer schulmedizinischen Behandlung hätte die fiktive Patientin eine 95-prozentige Chance, auch nach zehn Jahren noch krebsfrei zu sein. Nur eine Therapeutin riet der angeblichen Patienten zur Operation – es war eine Geistheilerin.

Daneben werden Krebspatienten auch noch ordentlich geschröpft. Einige Tausend Euro sind für manche  „Therapien“ fällig. Ist das alles fahrlässig? Oder unmoralisch? Es ist beides gleichzeitig.
 

Bei Krebs herrschen Angst und Verzweiflung

Warum sind Krebspatienten anfällig für solche Heilsversprechen? Mit kühlem Kopf betrachtet, müsste es ihnen doch seltsam erscheinen, dass man den Krebs mit Gemüse besiegen kann, dafür aber einen speziellen, unnatürlich teuren Mixer braucht, den man nur beim Therapeuten einkaufen kann. Es ist die Angst. Und die Verzweiflung. Und es ist der Wunsch, auch selbst etwas zu tun und die Krankheit in die eigene Hand zu nehmen. Steve Jobs jedenfalls bereute später öffentlich, bei seinem Bauchspeichdrüsenkrebs ganz auf die Alternativmedizin gesetzt zu haben und sich nicht habe operieren zu lassen. Er überlebte die Diagnose nur ein paar Jahre. Und eine Radiologin sagte mir einmal: „Wenn ich nur einmal eine Patienten bei mir sehen würde, bei der das Nichtoperieren funktioniert hätte, dann würde ich vielleicht auch anders denken. Habe ich aber nicht. Im Gegenteil: Bei jeder Mammografie sehe ich, wie sich der Brustkrebs weiter verschlimmert hat.“

Alternativmedizin bei Krebs: nachlesen, bitte!

Das Bedürfnis nach Information zu anderen Krebsbehandlungen als der Schulmedizin ist da. Gibt man „Krebs“ und „Alternative Behandlung“ in die Suchmaschine ein, spuckt sie rund 1.3 Millionen Ergebnisse aus. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (dkfz) hat einen Ratgeber zu alternativen Heilmethoden veröffentlicht. Dort steht: „Selbst ausgewiesene Experten tun sich schwer mit einer pauschalen Einschätzung der alternativen Krebsbehandlung und der Komplementärmedizin“. Patienten können nachlesen, was es mit Diäten, Nahrungsergänzungsmitteln, Ethnomedizin oder der Pflanzenmedizin auf sich hat. Die Basis ist der aktuelle Stand der Wissenschaft. Und das dkfz schreibt auch, wann Patienten Betrug vermuten dürfen. Zum Beispiel, wenn der Therapeut verspricht, dass seine Methode oder Mittel bei allen Krebsarten und Krankheitsstadien helfen. Und dieses Versprechen geben ja einige.

Ingrid Müller

Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de