Komplementärmedizin bei Krebs – wann es riskant wird!

Krebs-Diäten, Nahrungsergänzungsmittel, Akupunktur, Homöopathie: Wer bei Krebs alleine auf Komplementärmedizin setzt, lebt riskant.

Die Komplementärmedizin mit Akupunktur, Homöopathie oder Nahrungsergänzungsmitteln ist beliebt, auch bei Krebspatienten. Viele wenden solche alternativen Heilverfahren an, weil sie selbst aktiv etwas zur Heilung ihrer Krebserkrankung beitragen wollen, nicht an die Wirkung der Schulmedizin glauben oder deren Nebenwirkungen fürchten. Denn die Chemotherapie, Bestrahlung und andere Krebsmedikamente sind mit nicht unerheblichen Folgen verknüpft. So kann sich eine Chemotherapie auch langfristig auf die Gesundheit und das Wohlgefühl auswirken. Manche leiden anschließend unter der chronischen ErschöpfungFatigue“, Gefühls- und Empfindungsstörungen in den Extremitäten oder Schäden am Herzen.

Eine neue US-Studie offenbarte jetzt, wie gefährlich es sein kann, wenn Krebspatienten ausschließlich auf die Alternativmedizin setzen: Sie büßen Lebenszeit ein! Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Forscher der Yale School of Medicine, New Haven, Connecticut, im anerkannten Fachmagazin JAMA Oncology.

Komplementärmedizin oder Schulmedizin bei Krebs – wer vertraut worauf?

Die Forscher um Skyler B. Johnson warfen einen Blick in die Krankenakten von fast zwei Millionen Krebspatienten, die in den Nationalen Krebsdatenbanken gelistet waren. Alle litten unter Brust-, Prostata-, Lungen- oder Darmkrebs im Frühstadium. Er hatte noch nicht in andere Organe gestreut und noch keine Metastasen gebildet. In einem solchen frühen Stadium gilt der Krebs als noch heilbar.

Dann nahmen untersuchten sie, welche Art der Therapie die Patienten gegen ihren Krebs gewählt hatten. Unter Komplementärmedizin summierten sie alle Behandlungen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht belegt ist und die kein medizinisches Personal verabreicht hatte. Zur Schulmedizin zählten sie dagegen gängige Krebsbehandlungen wie die Operation des Tumors, Chemotherapie (Zytostatika), Strahlentherapie (Radiotherapie) oder die Antihormontherapie. Letztere kommt für Patienten in Frage, deren Krebs unter Hormoneinfluss wächst. Eingeschlossen in die Analyse waren nur Krebspatienten, die mindestens eine dieser Therapien durchlaufen hatten.

Fotostrecke: Alternativmedizin bei Krebs – die wichtigsten Methoden

TCM, Akupunktur und Ayurveda

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Die Alternativmedizin umfasst auch medizinphilosophische Gesamtkonzepte: Homöopathie, Anthroposophie, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Ayurveda; häufig werden einzelne Methoden dieser Konzepte auch allein angewendet, etwa die Akupunktur, Misteltherapie und Qi Gong

Komplementärmedizin alleine verkürzt das Leben!

Von der großen Menge an Tumorpatienten blieben nur 258 Krebskranke übrig, die ausschließlich der Komplementärmedizin vertraut hatten. Unter ihnen waren deutlich mehr Frauen als Männer (199 versus 59). Dies passt auch zu anderen Untersuchungen, nach denen das weibliche Geschlecht insgesamt viel stärker der Traditionellen Chinesischen Medizin, Akupunktur oder der Homöopathie zugeneigt ist. Im Schnitt waren die Krebspatienten 56 Jahre alt. Diesen stellten sie 1032 Patienten (798 Frauen und 234 Männern) als Kontrollgruppe gegenüber. Was ihre Krebsart, das Alters, Geschlecht und das Bildungsniveaus anging, waren sie mit der „Alternativmedizin-Gruppe“ vergleichbar. Der Unterschied war nur, dass sie komplett auf alternative Heilmethoden verzichtet hatten.

Jetzt verglichen sie den Gesundheitszustand von Krebspatienten, die nur auf alternative Heilmethoden gesetzt hatten, mit jenen, die keine Komplementärmedizin angewendet hatten. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Wer bei seinem Krebs nur der Komplementärmedizin vertraute, hatte ein viel höheres Risiko, die ersten fünf Jahre nach seiner Krebsdiagnose nicht zu überleben. Die genauen Zahlen: 17,8 Prozent starben in den ersten fünf Jahren, bei den schulmedizinisch behandelten waren es 13,4 Prozent. Die vermeintlich „sanften“ Krebsbehandlungen nützten also nicht nur nichts, sondern waren sogar noch schädlich. Denn sie sorgten für ein früheres Ableben.

Viele Krebspatienten verweigern die Schulmedizin

Als Ursachen dafür vermuten die Forscher Folgendes: Krebspatienten hätten die Alternativmedizin nicht etwa als Ergänzung, sondern als Ersatz für die Schulmedizin gewählt. Sie verweigerten schulmedizinische Behandlungen häufiger und verzichteten auf diese, wie folgende Zahlen zeigen:

  • 7 Prozent unterzogen sich keiner Operation ihres Tumors – bei der Kontrollgruppe waren es nur 0,1 Prozent
  • 34,1 Prozent lehnten die Chemotherapie strikt ab (Vergleichsgruppe: 3,2 Prozent)
  • 53 Prozent absolvierten keiner Strahlentherapie (Kontrolle: 2,3 Prozent)
  • 33,7 Prozent nahmen keine Antihormontherapie gegen ihren hormonempfindlichen Krebs ein (Kontrolle: 2,8 Prozent); dabei gilt diese Art der Krebsbehandlung gilt als sehr wirkungsvoll

Komplementärmedizin bei Krebs – diese Methoden sind beliebt

Ein Schwachpunkt der Studie ist, dass die Forscher aus den Daten nicht herauslesen konnten, welche komplementärmedizinische Methode die Krebspatienten genau angewendet hatten. Besonders beliebt sind zum Beispiel:

  • Traditionelle Chinesischen Medizin (TCM) mit Akupunktur und einer besonderen Ernährungslehre
  • Homöopathie („Gleiches mit Gleichem heilen“
  • pflanzliche Heilmittel gegen Krebs, etwa die Misteltherapie
  • Ayurveda
  • Meditation
  • spezielle Krebsdiäten, zum Beispiel Verzicht auf Zucker und Kohlenhydrate
  • Nahrungsergänzungsmittel, etwa mit Vitaminen, Selen, Zink und anderen Mineralstoffen

Das Wort „Alternativmedizin“ ist eigentlich missverständlich, denn diese Heilverfahren sind nicht etwa ein Ersatz für schulmedizinische Behandlungen, sondern allenfalls eine Ergänzung. Der Begriff „Komplementärmedizin“ ist deshalb richtiger (komplementär = ergänzend). Viele Krebsärzte nutzen solche alternativen Heilmethoden, um zum Beispiel die Nebenwirkungen anderer Krebsbehandlungen besser in den Griff zu bekommen. Außerdem gibt es mittlerweile spezielle Einrichtungen an Universitäten, die die Wirksamkeit diese Behandlungen erforschen. „Integrative Onkologie“ heißt der Fachbegriff dafür.

Arzt und Patient müssen reden!

Die US-Autoren empfehlen Krebspatienten, mit Ihrem behandelnden Arzt ausführlich sämtliche Behandlungsmöglichkeiten zu diskutieren und das Für und Wider gut gegeneinander abzuwägen. Umgekehrt sollten Ärzte ihre Patienten auch direkt darauf ansprechen, welche (alternativen) Therapien sie selbst anwenden. Denn viele tun dies, ohne dass ihr Arzt dies weiß!

Welche enormen Wirkungen die Bundesbürger der Alternativmedizin bei Krebs tatsächlich zuschreiben, zeigt eine Statista-Umfrage aus dem Jahr 2016: Sieben Prozent der befragten 18- bis 29-Jährigen gaben an, alternative Heilmethoden bei Krebserkrankungen als sehr effektiv einzuschätzen. 22 Prozent der Männer und fast genauso viele Frauen glauben, dass die Alternativmedizin bei Krebs genauso gut wirkt wie die Schulmedizin.

Quelle:

  • Johnson SB et. al. Complementary Medicine, Refusal of Conventional Cancer Therapy, and Survival Among Patients With Curable Cancers, JAMA Oncology, 19. Juli 2018, doi:10.1001/jamaoncol.2018.2487

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Ingrid Müller

Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de