Jung und Krebs? Erste-Hilfe-Tipps!
Krebs kann auch junge Menschen erwischen, die mitten im Leben stehen. Ein neuer Ratgeber, geschrieben von jungen Krebspatienten, gibt Tipps.
Krebs ist nicht nur eine Krankheit des Alters. Vielmehr trifft eine Krebserkrankung auch oft junge Menschen, die ihr Leben noch weitgehend vor sich haben. Beruf, Karriere, Familienplanung, Sexualität, Konfrontation mit dem Tod – das sind nur einige Probleme, mit denen junge Krebspatienten zu kämpfen haben, wenn sie in frühen Jahren die einschneidende Diagnose Krebs erhalten. „Wir hatten Krebs. Wir haben Krebs. Wir lassen uns nicht unterkriegen.“ So steht es im Erste-Hilfe-Ratgeber, den die Deutschen Stiftung für Junge Erwachsene mit Krebs veröffentlicht hat. Ehemalige Krebspatienten geben jüngeren Betroffenen Tipps, wie sie am besten mit der Bedrohung Krebs umgehen und Antworten auf Fragen finden, die sich plötzlich und unerwartet stellen.
Krebs – Infos sammeln, Fragen stellen
Etwa 80 Prozent der Krebspatienten zwischen 18 und 39 Jahren können Mediziner heute heilen. Timur, ein 23-jähriger Student, der an Hodenkrebs erkrankte, sagt: „Wenn man das Wort Krebs hört, kommen einem erstmal bestimmte Worte ins Gedächtnis. Bei mir waren es Chemotherapie und Tod. Aber in unserer Altersgruppe sterben relativ wenige an Krebs.“ Hodenkrebs ist die häufigste Tumorart bei jungen Männern unter 40 Jahren. Ihm half es, sich einzulesen und viel über seine Krankheit zu erfahren, um eine genaue Vorstellung davon zu entwickeln, was auf ihn zukommt. „Bei mir gab es eine sehr gute Chance, dass ich das überleben und gut aus der Sache herauskommen werde“, sagt er.
Krebs ist nicht gleich Krebs. Von der Krebsart, Aggressivität und dem Stadium der Erkrankung hängt es unter anderem ab, wie die Therapien ausfallen und wie gut die Heilungschancen sind. Es gilt, sich möglichst viele Informationen über „seinen“ Krebs einzuholen – aber aus seriösen, fundierten Quellen, zum Beispiel dem Deutschen Krebsforschungszentrum (dkfz), der Deutschen Krebsgesellschaft oder der Deutschen Krebshilfe. Eine Krebserkrankung ist in der Regel kein akuter Notfall. So sollten sich Krebspatienten Zeit nehmen, bis sie verstanden haben, was die genau bedeutet Diagnose. Sie können dem Onkologen Fragen zu den Untersuchungsmethoden, vorgeschlagenen Therapien sowie den Nebenwirkungen und Spätfolgen stellen. Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie trifft übrigens jeder Patient selbst. Kein Arzt kann ihm eine Therapie verordnen oder aufzwingen.
Entscheidende Themen für junge Krebspatienten sind unter anderem finanzielle Fragen oder der Kinderwunsch und die Familienplanung. Denn die Chemotherapie schädigt nicht nur die Krebszellen, sondern auch gesunde Zellen und beeinträchtigt die Fruchtbarkeit. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel Eizellen oder Spermien vor einer Chemotherapie einfrieren zu lassen.
Den Alltag weiterleben trotz Krebs
Mehrere Zyklen einer Chemotherapie verlangen dem Körper, dem Geist und der Seele einiges ab. Die Haare fallen aus, das Immunsystem wird geschwächt, der Appetit geht verloren und bei vielen herrscht ein Zustand von Dauermüdigkeit und Erschöpfung (Fatigue). Für viele rücken die Schule, das Studium oder der Beruf in weiter Ferne. Trotzdem gilt es, den Alltag so gut es geht weiter zu leben und sich nicht nur in die eigenen vier Wände zurückzuziehen. Timur konnte zwar während der Chemotherapien nicht zum Einkaufen in den Supermarkt wegen seines schwachen Immunsystems. Er hätte sich beim Kontakt mit Menschenmassen leicht mit Viren oder Bakterien anstecken können. Und die können gefährlich werden, wenn die Abwehrkräfte lahm gelegt sind. Aber er verbrachte auch nicht monatelang tatenlos im Bett. „Ich habe versucht, jeden Tag spazieren zu gehen. Ein Stück weit kann man sein Leben weiterleben“, betont er.
Auch Bernd, 24, der vor zweieinhalb Jahren an Darmkrebs erkrankt war, hielt dies so. Nur sechs Wochen war der Elektroniker krankgeschrieben, dann ging er weiter arbeiten – auch während der Krebstherapien. Nur wenn gar nichts mehr ging, blieb er zuhause. „Ich haben mich nicht groß unterkriegen lassen“, sagt er. Nur seiner Familie und den engsten Freunden erzählte er von seinem Tumor im Darm. „Ich wollte daraus kein Thema in meinem Leben machen, keine Sonderstellung haben und auch nicht danach behandelt werden.“ Kein Krebspatient ist übrigens gezwungen, seinem Umfeld von der Krebserkrankung zu erzählen, zum Beispiel dem Chef, Lehrern, Ausbildern oder Professoren an der Uni. Es gibt sie aber, die verständnisvollen Chefs, die ihre Hilfe und Unterstützung anbieten.
Krebs – Hilfe suchen, Hilfe annehmen
Wie schwierig es ist, sich als junger Mensch mit der Tatsache anzufreunden, ernsthaft krank zu sein, davon erzählt Franziska, die mit 23 Jahren ein einem Hodgkin-Lymphom erkrankte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie allerhöchstens mit einem Schnupfen oder Husten einmal das Bett gehütet. „So krank zu sein, dass ich nicht einmal Treppen steigen kann, davon hatte ich keine Vorstellung.“ Auch nicht davon, wie zermürbend es sein kann, wenn der Körper, aber auch der Geist an Grenzen stoßen. „Am Wochenende nach der Chemotherapie habe ich nichts mehr gedacht“, erzählt sie. „Ich habe auch nichts gesprochen, weil ich nichts zu sagen hatte.“
Um eine Krebserkrankung und die belastenden Therapien durchzustehen, braucht man Hilfe von Freunden und Angehörigen. Alleine schaffen es die meisten nicht. Franziska sagt: „Mir war von Anfang an klar, dass ich Menschen brauche, die sich mit mir und den Veränderungen, aber auch mit den alltäglichen Dinge wie Wäsche waschen und einkaufen gehen auseinandersetzen.“ Wichtig im Kampf gegen die Ängste und Ohnmacht sind Vertrauenspersonen, die offen und ehrlich sind, ihre Hilfe anbieten, Verständnis für die neue Situation mitbringen und auch während der oft monatelangen Therapien bei der Stange bleiben.
Nicht jeder Freund oder Bekannte schafft das. Manchmal bleiben auch Freunde weg, auf die man fest gezählt hatte. Der Grund sind oft eigene Ängste und die Scheu des Umfelds, mit einer schweren, vielleicht lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert zu sein. Das Wort „Krebs“ kann einen Fluchtreflex auslösen, sogar bei Freunden. Franziska sagt: „Ich habe oft erlebt, dass Menschen nicht mehr gewusst haben, wie sie mit mir umgehen sollen.“ Besser seien ehrliche Worte wie: „Ich habe riesen große Angst, dass du stirbst“. Das sei zwar schwer zu hören, aber deutlich besser als die Aussage, man könne immer anrufen. Genau das können Krebspatienten nämlich oft nicht. Besser ist es, auf die Kranken zuzugehen und nicht enttäuscht oder entmutigt zu sein, wenn sie nicht umgehend die erwartete Reaktion zeigen.
Unter Krebspatienten kursieren zudem oft Sätze, die man auf keinen Fall sagen sollte. Ein Beispiel: Bei einer Heilungschance von 90 Prozent könne man immer noch zu den restlichen zehn Prozent gehören – und eben sterben. Franziska rät: „Rede mit Menschen, aber lass dir auch nicht alles gefallen.“
Quelle:
- Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, www.junge-erwachsene-mit-krebs.de
Weiterführende Informationen über Krebs
- Deutsches Krebsforschungszentrum, www.krebsinformationsdienst.de
- Deutsche Krebshilfe, www.krebshilfe.de
- Deutsche Krebsgesellschaft, www.krebsgesellschaft.de
- Felix Burda Stiftung, www.darmkrebs.de
- Onkozert, spezialisierte Krebszentren, www.onkozert.de
- Onkopedia, www.onkopedia.com
Ingrid Müller
Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de