Familiärer Brustkrebs – vorbeugen wird möglich
Familiärer Brustkrebs ist aggressiv. Und er trifft die Frauen jung. Doch ein Medikament könnte den Ausbruch von Brustkrebs bei Frauen mit verändertem BRCA1-Gen verhindern.
Angelina Jolie ist wohl die bekannteste Frau mit einem veränderten BRCA1-Gen. Im Jahr 2013 hatte sie öffentlich gemacht, aufgrund des mutierten Gens ein hohes Risiko für familiären, erblich bedingten Brustkrebs zu haben. Diese Form von Brustkrebs ist oft sehr aggressiv und schlägt in jüngeren Jahren zu. Im Schnitt erkranken diese Frauen mit etwa 40 Jahren. Die prominente Trägerin des veränderten BRCA1-Gens (BReast CAncer) ließ sich vorsorglich beide Brüste entfernen. Einige Jahre später folgten die Eierstöcke.
BRCA1 hat noch eine „Schwester“: BRCA2. Die Mutation in einem dieser beiden Hochrisiko-Gene hat weitreichende Konsequenzen für die Gesundheit. Denn das Brustkrebsrisiko liegt bei etwa 80 Prozent, das Risiko für Eierstockkrebs bei bis zu 60 Prozent. Ob BRCA1 oder BRCA2 verändert ist, lässt sich per Gentest feststellen. Mediziner gehen davon aus, dass familiärer Brustkrebs für fünf bis zehn Prozent aller Brustkrebsfälle verantwortlich ist.
Familiärer Brustkrebs: Sexualhormone spielen mit
Jetzt können Frauen, bei denen familiärer Brustkrebs ein Thema ist, aber hoffen. Wissenschaftler vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien fanden heraus, dass sich famliärerer Brustkrebs durch die Blockade eines Knochen-Gens weitgehend verhindern lässt. Ein bereits erhältliches Medikament könnte rasch verfügbar sein – als erstes Brustkrebs-Präventionsmedikament.
Im Jahr 2010 hatte die IMBA-Forschergruppe um Gruppe Josef Penninger entdeckt, dass Sexualhormone Brustkrebs auslösen können. Dies geschieht über zwei Eiweiße, die beim Knochenstoffwechsel eine Rolle spielen: „RANK“ und „RANKL“. RANK ist die Andockstelle (Rezeptor), an die das Molekül RANKL – der Ligand – bindet. Die beiden Proteine übersetzen die Information der Sexualhormone und senden den Brustzellen ein Signal, das diese zum Wachstum anregt. Dieser Prozess läuft bei jeder Frau in der Schwangerschaft und während des Menstruationszyklus ab. Bei einem überschießenden Signal können die Brustzellen jedoch unkontrolliert wuchern und sich vermehren.
RANK und RANKL – Eiweißblockade stoppt Brustkrebs
Verena Sigl aus Penningers Forschungsgruppe entdeckte jetzt, dass RANKL auch bei genetisch bedingtem Brustkrebs, der durch ein verändertes (mutiertes) BRCA1-Gen verursacht wird, der entscheidende Faktor für den Krebsausbruch ist. In einer Studie verglich Sigl Mäuse mit mutiertem BRCA1-Gen. Bei denen einen waren RANK und RANKL aktiv. In der Brust entwickelten sich bösartige Tumoren und Vorstufen von Brustkrebs. Bei den anderen Tieren wurde RANK genetisch blockiert – hier wurde bei keiner einzigen Maus Brustkrebs entdeckt. Auch sonst kam es deutlich seltener zu bösartigen Veränderungen.
Therapie wirkt auch bei menschlichen Brustkrebszellen
Anschließend prüften die Forscher, ob und inwieweit die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. Gemeinsam mit Forschern der MedUni Wien und aus Toronto isolierten sie Brustgewebezellen von Frauen, die sich wegen einer BRCA1-Mutation einer vorbeugenden Brustamputation unterzogen hatten. Nachdem RANK blockiert worden war, wuchsen die Brustgewebezellen deutlich weniger und breiteten sich auch seltener aus. Diese Beobachtung bestätigte das enorme Potenzial einer Anti-RANKL Behandlung für die Krebsprävention beim Menschen, so die Forscher. Sie konnten zudem nachweisen, dass genetische Varianten von RANK mit einem höheren Brustkrebsrisiko einhergehen. Getestet hatten sie diesen Zusammenhang bei mehr als 15.000 Frauen mit BRCA1-Mutationen.
Brustkrebs stoppen – Medikament gegen RANKL schon auf dem Markt
„Unsere Erkenntnis ist auch deshalb so spannend, weil es bereits ein Medikament auf dem Markt gibt, ‚Denosumab‘“, erklärt Sigl – den Antikörper „Denosumab“. Er bindet fest an RANKL und hemmt seine Aktivität. Außerdem besitze das Medikament nur geringe Nebenwirkungen. Eingesetzt wird der Wirkstoff derzeit bei Knochenmetastasen und Knochenschwund (Osteoporose). In Zukunft könnte Denosumab auch zur Brustkrebs-Prävention bei Trägerinnen einer BRCA1-Mutations angewendet werden.
Wissenschaftler an der Universität Baltimore in den USA haben den vorbeugenden Einsatz von Denosumab schon an Mäusen mit BRCA1-Mutation getestet. Die Tiere wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Die einen Nager erhielt Denosumab zur Krebsprävention, die anderen nicht. Selbst nach längerer Beobachtungszeit fanden die Forscher in der Gruppe, die den Antikörper erhalten hatte, keine bösartigen Veränderungen im Brustgewebe. Unbehandelte Mäuse erkrankten dagegen an Brustkrebs. „Eine Brustkrebs-Prävention mittels RANKL Blockade könnte nach diesen Ergebnissen möglich sein“, ist Josef Penninger überzeugt.“
Familiärer Bruskrebs – Brustamputationen wären vermeidbar
Weitere Aufklärung über die Wirksamkeit sollen neue klinische Studien erbringen. Danach könnte jede Frau mit BRCA1-Mutation Denosumab zur Brustkrebs-Prävention einnehmen und so ihr dramatisch erhöhtes Brustkrebsrisiko senken. Dann wären vielleicht schwerwiegende Eingriffe, wie eine doppelte Brustamputation im Fall von Angelina Jolie, vermeidbar.
Penninger sieht sogar noch weitere Anwendungsmöglichkeit: „Wir haben ja gezeigt, dass RANK/RANKL auch in Sexualhormon-abhängigem Brustkrebs eine kritische Rolle spielen.“ Funktioniere das Prinzip bei Hochrisiko-Patientinnen, könne es vielleicht auch für alle anderen Frauen wirksam sein, so der Forscher. „Die Tür zur Brustkrebsprävention haben wir nach diesen Erkenntnissen jedenfalls geöffnet und die notwendigen klinischen Studien können aufgrund des zugelassenen Medikaments sehr rasch beginnen.“
Gene und Co – Risikofaktoren für Brustkrebs
Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Eine von acht Frauen erhält im Lauf ihres Lebens die Diagnose Brustkrebs. Derzeit erkranken allein in Deutschland jedes Jahr rund 75.000 Frauen neu an Brustkrebs. Ärzte vermuten, dass zwischen fünf und zehn Prozent der Brustkrebsfälle auf genetisch bedingten Brustkrebs zurückzuführen sind. Neben BRCA1 und BRCA2 gibt es noch weitere Genveränderungen, die im Zusammenhang mit Brustkrebs stehen. Wie groß ihr Einfluss auf das Brustkrebsrisiko ist, ist allerdings noch nicht genau geklärt. Risikofaktoren für Brustkrebs sind beispielsweise das Alter, die Einnahme künstlicher Hormone in den Wechseljahren (Hormonersatztherapie) und Umweltfaktoren.
Quelle: Sigl, V., Owusu-Boaitey, K., Penninger, J., et al. RANKL/RANK control Brca1 mutation-driven mammary tumors. Cell Research. 31. Mai 2016. doi: 10.1038/cr.2016.69.
Ingrid Müller
Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de