Brustkrebs – Wissen gegen die Angst

Wer gut über seine Diagnose Brustkrebs informiert ist, hat auch weniger Angst. Und das wiederum lässt die Lebensqualität klettern.

Es dürft wohl kaum eine Frau geben, der angesichts der Diagnose Brustkrebs nicht angst und bange wird. Massive Angst vor den Krebstherapien, Angst vor dem Krebs, der sich vielleicht schon durch den Körper frisst, Angst vor dem Tod. Der Schock der Diagnose setzt auch den Kopf außer Gefecht. Im Gespräch mit dem Arzt, der ihnen die Diagnose nahebringt, verstehen viele Brustkrebspatientinnen deshalb oft nur Bahnhof. Doch Aufklärung und verständliche Informationen über Brustkrebs können die Ängste lindern und die Lebensqualität deutlich verbessern. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Universität Köln.

Brustkrebs – massive Angst lähmt den Alltag

An der Untersuchung nahmen insgesamt 445 Brustkrebspatientinnen zwischen 65 und 88 Jahren teil. Alle hatten erst seit kurzem eine Brustkrebsoperation hinter sich. Kurz nach dem Eingriff und 40 Wochen später füllten sie einen Fragebogen zu ihrer Gesundheitskompetenz aus. Vier verschiedene Aspekte hatten die Forscher im Blick: Wie leicht fiel es den Brustkrebspatientinnen, relevante Informationen zu ihrer Erkrankung zu finden? Waren diese Informationen für sie verständlich? Konnten sie einschätzen, wie vertrauenswürdig die Informationen zu Brustkrebs waren? Halfen ihnen das Wissen über Brustkrebs, Entscheidungen bezüglich ihrer Erkrankung zu treffen?

Gleichzeitig wurden die Frauen nach Ängsten im Zusammenhang mit ihrer Brustkrebs-Diagnose befragt. Die Forscher wollten zum Beispiel wissen, wie weit verbreitet die Sorge ist, dass die Krankheit fortschreitet, oder – nach Abschluss der Therapie – wiederkehrt. „Bis zu 70 Prozent aller Brustkrebspatientinnen leiden unter solchen Ängsten“, erklärt Prof. Nicole Ernstmann vom Universitätsklinikum Bonn. „Bei manchen Betroffenen wird die Furcht so massiv, dass sie therapiert werden muss.“ Psychoonkologen können Patienten mit einer Krebsdiagnose helfen – viele Krankenkassen finanzieren die psychologische Begleitung durch Fachleute. Eine regionale Suche nach Psychoonkologen bietet das Deutsche Krebsforschungszentrum (dkfz).

Dass die Diagnose Brustkrebs ein lang andauerndes Trauma auslösen kann, haben Forscher schon nachgewiesen. Auch noch Jahrzehnte später ist das Thema Brustkrebs für viele nicht erledigt, sondern geistert weiter durch den Alltag – selbst, wenn die Frauen keinen Rückfall erlitten haben.

Brustkrebs – Wissen hilft gegen die Angst

Eine wirksame Medizin gegen die Angst scheine eine gute Aufklärung der Patientinnen zu sein, so ein Ergebnis der Studie. Frauen, die sich nicht gut informiert fühlten und eine geringere Gesundheitskompetenz hatten, gaben wesentlich häufiger an, im Zusammenhang mit ihrer Krankheit von Sorgen gequält zu werden. „Wir können Patientinnen unbegründete Ängste nehmen, indem wir sie besser über ihre Krankheit informieren“, schlussfolgert Ernstmann.

Allerdings tun sich manche Frauen schwer, im Gespräch mit ihrem Arzt einzuhaken, wenn sie etwas nicht verstehen. Sie wollen nicht dumm oder ungebildet wirken oder fürchten, die Geduld ihres Gegenübers in Weiß zu strapazieren. So sei es vor allem die Aufgabe des behandelnden Arztes, diesem Problem zu begegnen und eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, betont Ernstmann.

Arztgespräch – vertraute Person mitnehmen!

Frauen mit der Diagnose Brustkrebs sollten möglichst nicht allein zum Arztgespräch gehen, sondern einen guten Freund oder eine Freundin, den Partner oder einen vertrauten Angehörigen mitzunehmen. Es gilt: Vier Ohren hören mehr als zwei! Und angesichts des Schocks sind die Betroffenen oft nicht in der Lage, genau zuzuhören, was der Arzt sagt.  Erfahrungsgemäß hätten Begleitpersonen weniger Probleme damit, bei Unklarheiten nachzufragen oder noch offene Fragen anzusprechen. „Insgesamt zeigt unsere Arbeit, wie enorm wichtig eine angemessene medizinische Aufklärung für die Lebensqualität schwer kranker Menschen ist“, sagt Ernstmann.

Gegen die Angst: Checkliste für Brustkrebs

Als erste Konsequenz aus der Studie haben die Forscher eine Art Checkliste erarbeitet. Der Leitfaden greift die wichtigsten Fragen zur Brustkrebserkrankung auf und die Frauen können ihn mit in das Gespräch nehmen. So können sie beim Arztgespräch sicherstellen, alle für sie wichtigen Aspekte angesprochen zu haben. Die Druckfassung der vorab online veröffentlichten Arbeit erscheint im Mai in der Zeitschrift „Patient Education and Counseling“.

Quelle: S.M. Halbach, A. Enders, C. Kowalski, T.K. Pförtner, H. Pfaff, S. Wesselmann, N. Ernstmann: Health literacy and fear of cancer progression in elderly women newly diagnosed with breast cancer – A longitudinal analysis. Patient Education and Counseling (2016) May; 99(5):855-62. DOI: 10.1016/j.pec.2015.12.012

Ingrid Müller

Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de