Brustkrebs – Tumor weg in 11 Tagen
Die Kombination zweier Medikamente lässt Brustkrebs schrumpfen oder sogar ganz verschwinden. Und das in nur elf Tagen. Geeignet ist die Doppelpack-Therapie aber nur für Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs.
Rund 75.000 Frauen erkranken jedes Jahr in Deutschland neu an Brustkrebs – etwa 25 Prozent davon haben einen HER2-positiven Brustkrebs, der schnell wächst und deshalb als besonders aggressiv gilt. HER2 steht für humaner epidermaler Wachstumsfaktor Rezeptor Nummer 2. Bei einigen Arten von Brustkrebs wird dieser HER2-Rezeptor übermäßig gebildet. Er steigert die Stoffwechselaktivität der Krebszellen und regt sie zur Teilung an. Bei HER2-positiven Tumoren machten Forscher der University of Manchester jetzt eine erstaunliche Entdeckung: Durch die Kombination zweier Medikamente – Lapatinib und Trastuzumab – schrumpften die Brusttumoren deutlich oder verschwanden sogar ganz. Und das innerhalb von nur elf Tagen nach der Diagnose. Von ihren Ergebnissen berichteten die Forscher auf der 10th European Breast Cancer Conference (EBCC-10).
HER2-Brustkrebs – gezielter Angriff auf die Tumorzellen
Lapatinib (Tyverb®) und Trastuzumab (Herceptin®) zählen zu den sogenannten „targeted therapies“, also zielgerichteten Therapien. Lapatinib dringt in die Krebszelle ein und blockiert ihr Wachstum, während der Antikörper Trastuzumab von außen an die HER2-Rezeptoren der Tumorzelle andockt und die Wachstumssignale in der Krebszelle blockiert – so kann sie sich nicht mehr teilen.
An der Studie nahmen 257 Frauen mit neu diagnostiziertem, operablem und HER2-positivem Brustkrebs teil. 130 Frauen erhielten für elf Tage nach der Diagnose entweder keine medikamentöse Behandlung (Kontrollgruppe) oder Trastuzumab beziehungsweise Lapatinib allein. In einem zweiten Teil der Studie erhielten 127 Frauen entweder kein Medikament, Tastuzumab alleine oder eine Kombination aus Trastuzumab und Lapatinib. Nach der Operation wurden alle Frauen mit etablierten Krebstherapien wie Chemotherapie und Bestrahlung weiter behandelt.
Brustkrebsgewebe im Labor unter der Lupe
Um festzustellen, ob und wie sich die medikamentöse Behandlung auf die Tumorzellen ausgewirkt hatte, analysierten die Forscher Tumorproben, die sie bei der Diagnose und der Operation des Tumors gewonnen hatten. Untersucht wurde, ob der Spiegel des sogenannten Ki67 Proteins – ein Indikator für die Zellteilung – gesunken war und ob es einen Anstieg des programmierten Zelltodes (Apoptose) von 30 Prozent und mehr ab dem Zeitpunkt der ersten Biopsie gegeben hatte. Das Gewebe aus der Tumoroperation stuften die Pathologen entweder als tumorfrei ein, wenn sie keine aktiven Krebszellen mehr gefunden hatten, oder bewerteten es als minimalen Krebs, wenn der Tumor weniger als fünf Millimeter Durchmesser hatte.
Brustkrebs – tumorfrei in 11 Tagen
In der Gruppe der Frauen, die mit der Kombination aus Trastuzumab und Lapatinib behandelt worden waren, geschah Erstaunliches: Nicht nur die Ki67-Werte waren gefallen, sondern bei 11 Prozent der Frauen war der Tumor vollständig verschwunden und bei 17 Prozent ließen sich nur noch minimale Reste des Tumors nachweisen. Bei Frauen, die Trastuzumab allein erhalten hatten, war bei keiner einzigen Frau kein Tumor mehr nachweisbar und nur bei drei Prozent waren minimale Tumorreste vorhanden. In der Kontrollgruppe ohne medikamentöse Behandlung vor der Operation war keine Veränderung des Tumors festzustellen.
„Die Ergebnisse könnten ein Durchbruch sein“, sagt Prof. Nigel Bundred auf der Brustkrebskonferenz. „Denn wir können jetzt Frauen identifizieren, deren Tumoren innerhalb von elf Tagen allein durch eine Anti-HER2-Therapie verschwinden und die vielleicht im Anschluss keine Chemotherapie mehr brauchen.“ Dies eröffne die Möglichkeit einer individuellen, maßgeschneiderten Brustkrebstherapie für jede Frau. Und Prof. Judith Bliss, die Studienleiterin vom Institute of Cancer Research, London, sagt: “Die Ergebnisse zeigen, dass wir durch die Kombinationstherapie innerhalb von elf Tagen eine Antwort des Tumors erhalten – ohne Chemotherapie.“
Medikamente nur für Frauen mit HER2-Brustkrebs
Es müssten jetzt aber weitere Untersuchungen folgen, um die Ergebnisse zu bestätigen und zu erhärten. Man müsse außerdem abwarten, ob diese frühen Erfolge im Kampf gegen den Brustkrebs sich in einer längeren Überlebenszeit niederschlagen.
Die Forscher betonen, dass sich der medikamentöse Kombi-Pack nur für Frauen mit einem bestimmten Typ von Brustkrebs eigne. „Wir haben keine Hinweise darauf, dass die Behandlung bei anderen Patientinnen wirkt, die nicht neu an Brustkrebs erkrankt sind und deren Tumor nicht HER2-positiv ist“, sagt Bliss in einer weiteren Erklärung zur Studie.
Quelle:
10th European Breast Cancer Conference (EBCC-10). Abstract no: 6 LBA. “Effects of perioperative lapatinib and trastuzumab, alone and in combination, in early HER2+ breast cancer – the UK EPHOS-B trial (CRUK/08/002)”, 9.-11. März 2016, Amsterdam, Niedelande, http://www.ecco-org.eu/EBCC
EBCC10 NEWS: Statement on EPHOS-B (lapatinib/trastuzumab combination) trial
Ingrid Müller
Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de