Flüssigbiopsie zur Früherkennung von Brustkrebs
Brustkrebs könnte sich bald früher, zuverlässiger und schonender erkennen lassen als bisher – mit nur wenigen Blutstropfen. Flüssigbiopsie oder „Liquid Biopsy“ heißt die neue Methode.
Reichen zur Diagnose Brustkrebs bald ein paar Blutstropfen statt eines Nadelstichs ins verdächtige Gewebe? Gut möglich, denn Forscher an der Uniklinik RWTH Aachen entwickeln derzeit einen Bluttest, mit dem sich Krebszellen frühzeitig aufspüren lassen. Die Flüssigbiopsie (engl. Liquid Biopsy) könnte bald die Mammografie ergänzen und die Früherkennung von Brutkrebs verbessern. Die Deutsche Krebshilfe unterstützt das Projekt.
Flüssigbiopsie – Fahndung nach Krebserbgut im Blut
Der Bluttest basiert auf der Tatsache, dass bei Tumorzellen bestimmte Bereiche ihrer Erbsubstanz DNA durch chemische Anhängsel, sogenannte Methylgruppen, verändert sind. Jede Tumorart besitzt ein spezifisches Muster dieser Anhängsel, sogenannter Biomarkern. „Sterben die Zellen ab, gelangt die verräterische Tumor-DNA in kleinsten Mengen ins Blut“, erklärt der Studienleiter Prof. Edgar Dahl. Und dort lasse sie sich mittels empfindlicher molekularer Analyseverfahren nachweisen. Bei der Flüssigbiopsie gewinnen Ärzte keine Gewebeprobe (Biopsie) mehr über die Nadel. Vielmehr dient in Zukunft vielleicht nur noch das Blut als Diagnosematerial für Brustkrebs.
Das neue Frühwarnsystem sei sehr spezifisch, sagt Dahl: Der Test unterscheide sehr präzise zwischen gesundem und krankem Gewebe. Die Methode sei minimal-invasiv, nicht belastend und könne die Mammografie ergänzen.
Krebsdiagnostik – was kann die Flüssigbiopsie?
Erste Studienergebnisse aus Blutproben von an Brustkrebs erkrankten und gesunden Probandinnen seien vielversprechend, so Aachener Wissenschaftler. Doch es seien noch weitere Forschungen nötig, bis Frauen flächendeckend von dem neuen Bluttest profitierten. Zunächst wollen sie die eingesetzten Biomarker verbessern, dann sollen Studien mit einer größeren Zahl an Studienteilnehmerinnen folgen.
Schon heute sind Tests auf dem Markt, die eine Diagnose per Liquid Biopsy ermöglichen, zum Beispiel für Lungenkrebs. Allerdings dienen sie weniger der Früherkennung von Krebs, sondern vielmehr der Charakterisierung der Tumoreigenschaften. Wichtig ist dies zum Beispiel bei Tumoren, die so ungünstig sitzen, dass sie mit der herkömmlichen Nadelbiopsie nur schwer oder nicht zugänglich sind. Auch der Verlauf einer Krebstherapie könnte sich mittels Flüssigkeitsbiopsie in Zukunft besser verfolgen lassen. Die Menge an Krebszellen und Tumor-DNA im Blut sowie ihre Veränderung lässt Rückschlüsse darauf zu, ob und wie eine Therapie anschlägt.
Forscher am Institute of Cancer Research in London hatten in einer aktuellen Studie 55 Frauen mittel Bluttest untersucht, die eine Brustkrebserkrankung überstanden hatten. Bei 15 Frauen kehrte der Brustkrebs später zurück. In zwölf dieser Fälle hatte der neue Bluttest dies deutlich früher als konventionelle Diagnosemethoden erkannt. Die Trefferquote lag also bei 80 Prozent.
Auf der Flüssigbiopsie basiert übrigens auch der Bluttest für Schwangere. Anhand von DNA-Bruchstücken des ungeborenen Kindes, die im Blut der Mutter zirkulieren, lassen sich Chromosomenstörungen wie Trisomie 21 diagnostizieren.
Brustkrebs – Zahlen und Fakten
Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Mehr als 75.000 Frauen erkranken jedes Jahr neu an Brustkrebs. Die meisten Frauen sind bei der Diagnose älter als 50 Jahre; das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 64 Jahren. Aber auch jüngere Frauen erkranken. Etwa 4.900 aller jährlichen Brustkrebserkrankungen lassen sich auf Veränderungen in den Genen zurückführen. Am besten untersucht sind die Gene BRCA 1 und BRCA2 als Auslöser von erblich bedingtem (familiärem) Brustkrebs.
Zu den Risikofaktoren für Brustkrebs zählen Brustkrebserkrankungen in der Familie, Kinderlosigkeit, frühe Menstruation, Erkrankungen des Brustdrüsengewebes (Mastopathie) oder die Hormonersatztherapie. Auch der Lebensstil spielt eine Rolle: Übergewicht, Bewegungsmangel, regelmäßiger Alkoholkonsum und das Rauchen erhöhen das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken.
Brustkrebs – die Früherkennung
Mammografie, Ultraschall, Mamma-MRT und Biopsie – es gibt eine Reihe von Methoden zur Diagnose und Früherkennung von Brustkrebs. Je früher ein bösartiger Tumor in der Brust entdeckt wird, desto weniger „hart“ fallen die Krebstherapien aus und desto besser sind die Heilungschancen bei Brustkrebs.
Zur Früherkennung von Brustkrebs gibt es seit einigen Jahren ein Mammografie-Screening in Deutschland. Dessen Nutzen diskutieren Fachleute aber immer wieder kontrovers wegen ungenauer Ergebnisse. Manche Veränderungen, die in der Mammografie bösartig aussehen, breiten sich nicht weiter aus und würden den Frauen zu Lebzeiten nie schaden. Andererseits kann es vorkommen, dass ein bösartiger Tumor nicht entdeckt wird.
Quelle:
- Deutsche Krebshilfe e.V., www.krebshilfe.de (26.10.2015)
Ingrid Müller
Ingrid Müller hat Biologie und Chemie studiert, ist gelernte Journalistin, Buchautorin und schreibt für verschiedene Medien, unter anderem Focus Gesundheit. Sie ist Chefredakteurin des Gesundheitsportals Prostata Hilfe Deutschland, die sich an Männer mit Prostatakrebs richtet. Zudem entwickelt sie digitale Gesundheitsprojekte mit. Zwölf Jahre war sie Chefredakteurin des Gesundheitsportals netdoktor.de